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Datum: 08.03.2023

Grußwort zum Internationalen Frauentag

Sehr geehrte Weißenfelserinnen,
sehr geehrte Weißenfelser,

am 8. März ist Internationaler Frauentag. Ein Tag, an dem sich Frauen und Männer weltweit für Gleichstellung und gegen Diskriminierung von Frauen einsetzen. In Zeiten von Krieg, Energiekrise, Strukturwandel und Pandemie könnte man(n) nun sagen: „Lasst uns mit der Gleichstellung in Ruhe. Wir brauchen nicht noch ein Problem.“ Doch das ist ein völlig falscher Denkansatz. Denn Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frauen sind wichtige Richtwerte für den Zustand einer freien und demokratischen Gesellschaft geworden.

Dass Gleichstellung kein Naturgesetz ist und wir aktiv etwas dafür tun müssen, um weiterzukommen, zeigt unter anderem der Blick auf den gestrigen Tag. Bis zum 7. März 2023 haben die Frauen in Deutschland nämlich rechnerisch umsonst gearbeitet. Ihr Stundenlohn liegt im Durchschnitt 18 Prozent unter dem von Männern. Und die Zeit vom 1. Januar bis zum „Equal Pay Day“ am 7. März entspricht 18 Prozent des Jahres. Eine neue Studie des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass die Ungleichheit sogar über die Lohnlücke hinausgeht. Demnach sind Frauen am Arbeitsmarkt dreifach benachteiligt. Sie haben nicht nur geringere Stundenlöhne, sondern arbeiten auch häufiger in Teilzeit und sind häufiger erwerbslos als Männer. Und dass, obwohl sie bei den Bildungsabschlüssen die Männer inzwischen hinter sich gelassen haben. Bezieht man diese Faktoren mit ein, arbeiten Frauen sogar bis in den Mai hinein umsonst. Ab dem Alter von 30 Jahren – wenn Frauen durchschnittlich ihr erstes Kind bekommen – werden die Ungleichheiten noch größer, sodass sich der „Equal Pay Day“ rechnerisch noch weiter in Richtung Jahresmitte verschiebt.

Diese Benachteiligungen in der Arbeitswelt sind größtenteils zurückzuführen auf unzureichende gleichstellungs-, familien- und kinderfreundliche Lebens- und Arbeitsbedingungen in unserer Gesellschaft. Wir alle sind in der Pflicht, dass wir uns mit allen Mitteln für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern einsetzen. In Zeiten von Fachkräftemangel können wir es uns als Gesellschaft auch gar nicht mehr erlauben, dieses Potential unbeachtet zu lassen. Denn die Grundvoraussetzungen sind heutzutage gut. Frauen sind hervorragend ausgebildet. Trotzdem sind sie in der Chefetage noch Einzelerscheinungen. Das gilt übrigens auch für die Stadt Weißenfels. Von den 580 Personen, die bei der Stadt Weißenfels arbeiten, sind 410 Frauen. Das sind knapp 71 Prozent. Und trotzdem sitzt bei fünf Fachbereichen nur eine Frau an der Spitze. Erst auf der nächsten Ebene folgt dann geballte Frauenpower.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, unterschiedliche Lebensentwürfe und Entwicklungen zu akzeptieren. Festgefahrene gesellschaftliche Denkmuster machen es Frauen leider bis heute noch schwer, sich wirklich frei zu entfalten und selbstbestimmt ihren Weg zu gehen. So bringt es die Kolumnistin Katja Berlin treffend auf den Punkt, wenn sie schreibt: Frauen müssen sich rechtfertigen für „nur Kinder“, „nur Karriere“, „Kinder und Karriere“ und „keine Kinder und keine Karriere“. Deshalb: Lasst uns damit aufhören, Frauen zu diskriminieren. Erkennen wir ihren Erfolg an und haben wir Achtung vor ihren Kompetenzen und Fähigkeiten.

Eines der zentralen Themen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist zudem die Kinderbetreuung. Ein Schwerpunkt der Weißenfelser Stadtentwicklung sind deshalb seit vielen Jahren die Bildungseinrichtungen. Einen großen Teil unserer Kitas haben wir saniert. Beispielsweise haben wir den Kindergarten in Großkorbetha neu gebaut. In Tagewerben wurde nach vielen Jahren der Sanierung ein Bildungscampus mit Kita, Grundschule und Hort geschaffen. In diesem Jahr werden unter anderem die Arbeiten für den Neubau der Kita Uichteritz fortgesetzt. Trotz des chronischen Personalmangels bei den pädagogischen Fachkräften gelingt es uns, allen jungen Eltern für ihr Kind einen Kita-Platz in Weißenfels zur Verfügung zu stellen.

Darüber hinaus braucht es in unserer Gesellschaft aber auch familienfreundliche Arbeitszeitmodelle. Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und Co. sind heutzutage wichtige Faktoren, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen.

All diese Ausführungen machen deutlich: Es gibt in Sachen Gleichstellung noch viel zu tun. Und das gilt nicht nur für die Berufswelt, sondern auch für Ehe und Beziehung, Erziehung, Sexualität und viele andere Lebensbereiche.

Trotz allem sind wir heute auf einem besseren Weg als noch vor einigen Jahrzehnten. 1919 wurde das Wahlrecht für Frauen eingeführt. 1949 wurde die Gleichstellung von Mann und Frau im Grundgesetz aufgenommen. Bundesdeutsch betrachtet können Frauen seit 1962 ohne Zustimmung ihres Ehemannes ein Konto führen und seit 1977 schließen Frauen eigenständig Arbeitsverträge ab. Seit 1997 gilt Vergewaltigung in der Ehe als Verbrechen. Im Jahr 2015 wurde die Elternzeit für beide Elternteile ermöglicht. Als letzter Umbruch im Recht wurde 2016 das neue Sexualstrafrecht mit dem Grundsatz „Nein heißt nein“ verabschiedet.

Erstaunlich ist, wie schnell Veränderungen zum Guten möglich sind, wenn beide Geschlechter gemeinsam ein Ziel verfolgen. In diesem Sinne: Liebe Bürgerinnen und Bürger, nehmen wir den Internationalen Frauentag zum Anlass, um daran zu erinnern, dass der Kampf um Gleichstellung noch lange nicht vorbei ist. Nur gemeinsam können wir in unserer Gesellschaft eine Gleichberechtigung bei den Lebensumständen und Lebenschancen von Frauen und Männern erreichen.

Ihr

Martin Papke  
Oberbürgermeister Stadt Weißenfels

Jörg Freiwald
Stadtratsvorsitzender