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Der Weißenfelser Weg

Der „Weißenfelser Weg“ wurde im Rahmen der Stadtratssitzung am 24. Februar 2022 erstmals umfassend der Öffentlichkeit vorgestellt. Dahinter verbirgt sich ein ganz neuer Kurs, den die Stadt Weißenfels bei der Integration von Ausländern einschlagen wird. Noch in diesem Jahr soll hierfür eine interkommunale Zusammenarbeit umgesetzt werden. Ein notwendiger Schritt, schließlich hat Weißenfels einen Ausländeranteil von 15 Prozent und versucht seit vielen Jahren, den Auswirkungen der EU-Arbeitsmigration entgegenzuwirken. Eine Stadt im ländlichen Raum muss folglich mit großstädtischen Herausforderungen umgehen. Der Weißenfelser Weg soll hierfür eine mögliche Lösung sein.

Ziel des „Weißenfelser Weges“ ist es, vorwiegend Familien aber auch Einzelpersonen aus dem Ausland schon direkt nach ihrer Ankunft in Weißenfels zu begleiten und in das System Deutschland mit seinen Regeln und Pflichten zu integrieren. Erstmals werden hierfür die Stadt Weißenfels und der Burgenlandkreis, die beide unterschiedliche Pflichtaufgaben haben, fachübergreifend zusammenarbeiten. Für diese Zusammenarbeit werden neue Strukturen und Personalstellen geschaffen.

Der „Weißenfelser Weg“ besteht aus fünf Organisationseinheiten: Clearingstelle, aufsuchende Sozialarbeit, Schulteam, Neustadtbüro/Stadtteilzentrum und Wohnraumkontrolle. Ab Juli 2022 werden alle Organisationseinheiten im Einsatz sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten eng zusammen und tauschen sich stetig untereinander aus.

Die Clearingstelle ist zusammen mit dem Einwohnermeldeamt ab Juli für alle zugezogenen Ausländer der Erstkontakt in Weißenfels. Im Zusammenhang mit der Anmeldung im Einwohnermeldeamt erfolgt ein Gespräch, bei dem Informationen erfasst werden, die für die Integration und für Aufgaben der Stadtverwaltung relevant sind. Kommt die Person alleine oder mit Familie? Wurden schulpflichtige Kinder bereits in der Schule angelmeldet? In welcher Wohnung und unter welchen Umständen lebt die Person? All diese Informationen sind von Interesse, um beispielsweise ausreichend Kita-Plätze vorzuhalten, die Schulpflicht durchzusetzen, den Bedarf an Sprachkursen zu ermitteln oder unzumutbare Wohnverhältnisse zu erkennen. Die Clearingstelle kann außerdem an Beratungsstellen verweisen, Informationsmaterial ausgeben und über verschiedene Angebote zur Integration informieren. Für die Clearingstelle wurde bei der Stadt Weißenfels eine zusätzliche Stelle im Haushalt 2022 eingeplant, die mittlerweile durch die Kommunalaufsichtsbehörde genehmigt wurde. Die Stellenausschreibung erfolgt zeitnah.  

Der verlängerte Arm der Clearingstelle ist die aufsuchende Sozialarbeit. Über den Erstkontakt hinaus wird hier versucht, eine Lotsenfunktion einzunehmen. Dafür werden die ausländischen Mitbürger zuhause besucht. Dies geschieht auf Basis der Freiwilligkeit. Für die Bereitstellung der sozialpädagogischen Kräfte ist der Burgenlandkreis zuständig. Fallbezogen können diese vor Ort die Bürgerinnen und Bürger beraten und unterstützen. Ältere Kinder werden schnellstmöglich ins Schulsystem vermittelt. Die bei der Clearingstelle gemachten Angaben zur Familienkonstellation und zur Wohnsituation können auf Aktualität überprüft werden. Hilfsangebote und Unterstützungsmöglichkeiten werden aufgezeigt. Je nach Bedarf sind wiederkehrende Besuche möglich. Ziel ist es, vorrangig Familien aber auch Alleinstehende zu integrieren und deren Lebensumstände gegebenenfalls zu verbessern. Werden Missstände entdeckt, erfolgt eine Rückmeldung an die zuständigen Verwaltungsbereiche.

Das Schulteam achtet auf die Einhaltung der Schulpflicht. Die bereits vorhandenen Verwaltungsfachkräfte bei der Stadt Weißenfels (zuständig für Grundschulen) und beim Burgenlandkreis (zuständig für weiterführende Schulen) profitieren von den neugewonnenen Informationen, die der „Weißenfelser Weg“ hervorbringt. Schulverweigerung wird schneller erkannt und ihr wird konsequent entgegengetreten. Das Team wird sich zudem für eine Stärkung von Schulen mit hohem Ausländeranteil einsetzen. Dafür werden auch landespolitische Entscheidungen notwendig sein. Für die Herder-Grundschule wird zudem eine Aufstockung der Arbeitszeit der Schulsekretärin geprüft. Ziel ist es außerdem, die Kitas stärker mit einzubeziehen, da hier die deutsche Sprache spielerisch gelernt werden kann und somit ein guter Schulstart ermöglicht wird.

Das Neustadtbüro hat sich seit seiner Eröffnung im Jahr 2018 zu einem Ort des Vertrauens entwickelt. Es ist ein wichtiger Bestandteil des „Weißenfelser Weges“. Die Mitarbeiterinnen bieten am Neumarkt 6 Beratungen für die gesamte Stadtbevölkerung an. Sie haben ein offenes Ohr für alle Belange und können an die passenden Fachberatungsstellen und Netzwerkpartner verweisen. Vor der Corona-Pandemie gab es in Zusammenarbeit mit Vereinen, Ehrenamtlern und Institutionen zudem zahlreiche Freizeitangebote wie das Spielmobil, wöchentlicher Seniorensport, Bastelnachmittage oder einen Skater-Workshop. Diese Begegnungsmöglichkeiten sollen ab April 2022 wieder in das Programm aufgenommen werden, denn auf diese Weise können Vorurteile abgebaut und generationsübergreifende Begegnungen ermöglicht werden. Perspektivisch soll das Neustadtbüro zu einem Stadtteilzentrum weiterentwickelt werden. Ziel einer solchen Einrichtung muss es sein, gute Lebensbedingungen zu schaffen, Akteure zu vernetzen, Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen und eine aktiv gelebte Nachbarschaft zu fördern. Langfristig soll das Stadtteilzentrum jedoch keine Aufgabe der Stadtverwaltung sein, sondern die eines freien Trägers.

Eine weitere Organisationseinheit des „Weißenfelser Weges“ ist die Wohnraumkontrolle. Die Stadt Weißenfels hat hierfür eine zusätzliche Stelle im Haushalt 2022 eingeplant. Die Stellenausschreibung erfolgt zeitnah. Die Mitarbeiterin/ der Mitarbeiter steht im ständigen Austausch mit der Clearingstelle, der aufsuchenden Sozialarbeit und dem Neustadtbüro. Gibt es Hinweise auf Missstände in Wohnungen wie Lärm, Müll oder Baumängel, wird die Wohnung kontrolliert. Auch Überbelegung oder Verwahrlosung können eine solche Kontrolle zur Folge haben. Ziel ist es, gesetzliche Mindestanforderungen durchzusetzen. Dazu werden auch Wohnungseigentümer und Verwalter ermittelt. Gegebenenfalls kann eine Wohnung gesperrt werden. Weitere Behörde wie das Jugendamt, die Polizei, das Gesundheitsamt, das Gewerbeamt oder die Bauaufsicht können hinzugezogen werden. Diese leiten dann Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnsituation und zur Beseitigung der Missstände ein. Die Stadt Weißenfels und der Burgenlandkreis arbeiten hier erstmals Hand in Hand. Nachkontrollen sollen die Nachhaltigkeit der Maßnahmen sicherstellen. Im Rahmen der Wohnraumkontrolle werden auch die Daten aus dem Melderegister abgeglichen.

Im Idealfall können durch das engmaschige Netz des „Weißenfelser Weges“ Brüche erst gar nicht entstehen. Melderechtliche und ordnungsrechtliche Verstöße werden direkt erkannt. Auf diese Weise wird die Stadt Weißenfels aufgewertet. Die Lebensqualität nimmt zu. Gebiete wie die Neustadt werden stabilisiert und können ihr Potential besser entwickeln. Die gesellschaftliche Benachteiligung von Bürgerinnen und Bürgern wird abgemildert. Eine aktiv gelebte Nachbarschaft kann entstehen. Der „Weißenfelser Weg“ ist ein ergebnisoffener Prozess, dessen Gelingen auch von der freiwilligen Mitarbeit der ausländischen und einheimischen Bürgerinnen und Bürger abhängen wird. Es braucht Zeit, bis erste Effekte sichtbar sein werden.