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Datum: 29.11.2023

Aktionstag gegen Gewalt an Mädchen und Frauen

Anlässlich des Internationalen Gedenktages „Nein zu Gewalt an Mädchen und Frauen“ kamen am 24. November 2023 mehr als 60 Bürgerinnen und Bürger auf dem Weißenfelser Marktplatz zusammen. Vor Ort wurde die Fahne „frei leben!“ gehisst, die jetzt bis zum 10. Dezember 2023, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, vor dem Rathaus weht. Mit ihrer Teilnahme setzten die Frauen und Männer ein sichtbares Zeichen für ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Dasein von Mädchen und Frauen. Auch 30 Lichterfrauen, handgefertigt von Mitgliedern des Frauenarbeitskreises Weißenfels, erstrahlten vor dem Rathaus. Die Idee für die Tonfiguren stammt aus Kanada, wo sie ein Pendent zur weltberühmten chinesischen Terrakottaarmee darstellen und somit ein Symbol für Stärke und Wehrhaftigkeit sind. Der Aktionstag wurde organisiert von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Weißenfels, dem Frauenarbeitskreis, dem Frauenhaus in Weißenfels und dem Frauenhausverein.

Mit einer sehr persönlichen Geschichte wandte sich Landrat Götz Ulrich an die Anwesenden. Er berichtete in seiner Rede davon, wie er als Kind seine Oma nach deren Vergewaltigung erlebte. Über eine andere Form von Gewalt sprach die Weißenfelserin Dorothea Hesse-Swikle. Sie erzählte davon, wie sie über viele Jahre hinweg häusliche Gewalt in ihrer Ehe erfuhr. „Narben erinnern mich an das Erlebte, aber sie definieren nicht meine Zukunft“ – ein Satz, der nicht nur ihr Lebensmotto, sondern auch Titel ihres 2023 erschienenen autobiografischen Buches ist. Allein schon mit ihrem selbstbewussten Auftritt machte sie allen Frauen Mut, die sich aktuell noch in der Situation befinden, in der sie einst war. Und das sind laut Statistik viele. Alle vier Minuten erlebt eine Frau in Deutschland Gewalt durch Ihren Partner oder Ex-Partner. Jeden dritten Tag tötet ein Mann seine (Ex-)Partnerin.

Und nicht nur in der Partnerschaft ist geschlechtsspezifische Gewalt in Deutschland fest in den Strukturen verankert. So ist in der Bundesrepublik jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben von physischer oder sexualisierter Gewalt betroffen. Das sind mehr als 12 Millionen Frauen. Etwa 70 Prozent der Mädchen in Deutschland haben bereits Bedrohungen, Beleidigungen und Diskriminierung in den sozialen Medien erfahren. Mehr als die Hälfte aller Frauen meidet im Dunkeln bestimmte Orte und fühlt sich unsicher. Wie viele Gesichter Gewalt gegen Frauen und Mädchen haben kann, machte die Leiterin des Weißenfelser Frauenhauses Birgit Peterz deutlich. Ihre Aufzählung reichte von häuslicher Gewalt, sexueller Belästigung, digitaler Gewalt, psychischer Demütigung, Mobbing, Stalking und ökonomischer Gewalt bis hin zu sexualisierter Gewalt, Zwangsheirat, Zwangsprostitution, Menschenhandel, Genitalverstümmelung und Femizid. Letzteres ist die extremste Form der geschlechtsbezogenen Gewalt; die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. „Im März 2023 gab es in Sachsen-Anhalt zwei Femizide innerhalb von nur 20 Tagen“, sagte Birgit Peterz.

Mit der Roten Bank setzt die Stadt Weißenfels seit dem Jahr 2021 ein sichtbares Zeichen gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Für Betroffene hat die Stadt.Raum-Initiative im Rahmen des diesjährigen Aktionstages eine Informationstafel für die Rote Bank überreicht. Auf dieser stehen die Telefonnummern des Weißenfelser Frauenhauses, des Hilfetelefons für Frauen und der Nummer gegen Kummer für Kinder. Zudem ist das internationale Handzeichen bei häuslicher Gewalt abgebildet. Mit einem Informationsstand war zudem der „Weiße Ring“ vor Ort. Die Organisation hilft Opfern von Verbrechen. Mit Redebeiträgen wandten sich auch der zweite stellvertretende Oberbürgermeister Maik Trauer und die geflüchtete Syrerin und heutige Mitarbeiterin der Zukunftswerkstatt Mitteldeutschland BVU GmbH Lubna Hayatleh-Heinke an die Gäste.

Weißenfels ist eine von mehr als 8.500 Städten in der ganzen Welt, die sich an der UN-Kampagne „Orange the World“ beteiligt und sich damit für eine gewaltfreie Gesellschaft einsetzt. Die Kampagne macht seit dem Jahr 1991 auf geschlechtsspezifische Gewalt aufmerksam und nutzt dafür den gut zweiwöchigen Zeitraum vom Internationalen Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen bis zum Internationalen Tag der Menschenrechte. Passend zu der Kampagne wurde in Weißenfels unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger eine Performance mit orangefarbenen Regenschirmen aufgeführt. Die Vielzahl an „Schutzschirmen“ sollte von Gewalt betroffenen Mädchen und Frauen Mut machen und die Redebeiträge während der Aufführung zeigten mögliche Ausweg aus der Gewaltspirale auf.

Das Lagebild „Häusliche Gewalt“ des Innenministeriums zeigt: Die Zahlen der Opfer in Deutschland sind deutlich gestiegen. Im Jahr 2022 wurden demnach etwa 240.500 Opfer von Häuslicher Gewalt erfasst. Das sind 8,5 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Betroffen von der Gewalt sind überwiegend Frauen. Mehr als 71 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind weiblich. Die Täter sind mit mehr als 76 Prozent zumeist Männer.

„Nur zusammen werden wir mehr Sicherheit für Frauen und Kinder schaffen können“, sagte Birgit Peterz beim Aktionstag in Weißenfels. Deshalb sei es wichtig, die gesamte Gesellschaft zu sensibilisieren, Frauen und Mädchen stark zu machen, Hilferufe von Betroffenen ernst zu nehmen und immer wieder auf die moralische und gesetzliche Pflicht aller zur Bekämpfung zu verweisen. Denn geschlechtsspezifische Gewalt ist als Menschenrechtsverletzung anerkannt.

Andererseits ist es auch wichtig und unabdingbar, Menschen zu beraten und zu betreuen, die in ihrer Partnerschaft Gewalt ausüben oder ausgeübt haben. In mehr als 76 Prozent der gemeldeten Fälle sind das Männer. Ziel ist es, Gewaltkreisläufe zu durchbrechen. Gewaltausübenden Menschen soll ein Weg aus der Gewalttätigkeit ermöglicht werden, um häusliche Gewalt dauerhaft zu beenden.

Unterstützungsmöglichkeiten gibt es unter anderem beim Männerberatungsnetz des Bundesforums Männer, beim Landesverband Sachsen-Anhalt des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, beim Deutschen Familienverband Sachsen-Anhalt e.V. und bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. Informationen erhalten Interessierte auch bei der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Weißenfels Katja Henze ( gleichstellung@weissenfels.de oder 03443 370466).

https://maennerberatungsnetz.de/beratungsfelder/gewalt/

https://dfv-lsa.de/promann/

Beratungsstellen | Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. (bag-taeterarbeit.de)