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Datum: 08.11.2023

Genitalverstümmelung: Kampf gegen eine grausame Tradition

Im Monat November wird es in Weißenfels mehrere Veranstaltungen geben, die auf das Thema „Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ aufmerksam machen. Ein wichtiger Bestandteil des Programms ist der Fortbildungskurs „Genitalverstümmelung: Hilfe und Schutz für Mädchen und Frauen in Sachsen-Anhalt“, der am 22. November 2023, von 14 bis 18 Uhr im Weißenfelser Rathaus stattfindet. Fachkräfte aus dem Burgenlandkreis und dem Saalekreis erhalten damit erstmals die Möglichkeit, Wissen zu diesem auch heute noch stark tabuisierten Thema zu erlangen und damit ihre Handlungssicherheit zu stärken. Die Fortbildung richtet sich an Personen, die bei ihrer täglichen Arbeit mit dieser Thematik in Berührung kommen. Dazu gehören zum Beispiel Mitarbeitende in Kitas, Schulen, Horten, Frauenarztpraxen, Kinderarztpraxen, Hebammenpraxen, Flüchtlingsunterkünften, Opferschutzeinrichtungen, Verbänden der Sozialen Arbeit oder bei der Polizei. Die Teilnahme an der Fortbildung ist kostenfrei. Interessierte melden sich vorab online an: https://eveeno.com/263041733

„Es geht darum, das Thema Genitalverstümmelung aus der Tabuzone rauszuholen“, sagt Katja Henze, die als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Weißenfels zusammen mit ihren Amtskolleginnen aus dem Burgenlandkreis, dem Saalekreis und der Stadt Naumburg in Kooperation mit SAIDA International e. V das Fortbildungsangebot organisiert. „Ein fundiertes Wissen ist der Grundstein dafür, dass die Fachkräfte Sicherheit beim Umgang mit den Betroffenen und den Gefährdeten erlangen und gegebenenfalls Hilfe einleiten können“, sagt Katja Henze. Im Rahmen der Fortbildung informiert deshalb die SAIDA Fachstelle Genitalverstümmlung über die soziokulturellen Hintergründe von Genitalverstümmelung und nennt Faktoren, die dazu führen, dass diese Gewalt auch in der Migration noch angewendet wird. Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfahren, wie man Hilfebedarf erkennt und Hilfe einleitet, welche gesundheitlichen und psychosozialen Aspekte zu berücksichtigen sind und wie Prävention im Kinder- und Frauenschutz gelingen kann. Auch über Möglichkeiten der Genital-Rekonstruktion wird aufgeklärt. In diesem Zusammenhang wird das SAIDA Kompetenzzentrum am St. Georg Klinikum in Leipzig vorgestellt, das als multidisziplinäre Anlaufstelle in Mitteldeutschland fungiert.

In Sachsen-Anhalt sind Schätzungen von SAIDA zufolge knapp 1.500 Frauen und Mädchen von Genitalverstümmelung betroffen. Viele weitere Mädchen sind gefährdet, diese Gewalt erleiden zu müssen. Auch in Weißenfels leben mehr als 70 Frauen und Mädchen aus Herkunftsländern, in denen Genitalverstümmelung eine gängige Praxis ist und die Betroffenenquoten zum Teil bei mehr als 70 Prozent liegen. Dazu gehören beispielsweise Frauen und Mädchen aus Burkina Faso, Eritrea und Somalia. „Wir wollen die Fachkräfte sensibilisieren, damit Anzeichen wie beispielsweise massive Probleme beim Wasserlassen, Schmerzen im Unterleib, Störungen während der Menstruation oder andere ungewöhnliche auch psychische Beschwerden erkannt werden“ sagt Katja Henze. Die Frauen würden körperlich und seelisch unter den Folgen der Genitalverstümmelung leiden, sich aber trotzdem nur in den seltensten Fällen aktiv Hilfe suchen. Den Grund hierfür sieht die Gleichstellungsbeauftragt nicht nur im Schamgefühl, sondern auch in der fehlenden Aufklärung. „Die Frauen sind sich oft gar nicht bewusst, dass ihnen Gewalt angetan wurde. Die Genitalverstümmelung ist in diesen Ländern leider normal. Viele Betroffene wissen auch nicht, dass deutschen Frauen diese Verbrechen nicht angetan werden. Und von Möglichkeiten der medizinischen Hilfe oder sogar einer Geschlechtsrekonstruktion haben die meisten Frauen ebenfalls noch nichts gehört. Wenn es gelingt, dass Fachkräfte bei einem bestehenden Vertrauensverhältnis Aufklärungsarbeit leisten oder eine helfende Hand reichen können, dann haben wir viel gewonnen“, sagt Katja Henze.

Weiterer Veranstaltungshinweis:
Nicht nur mit dem Fortbildungskurs „Genitalverstümmelung: Hilfe und Schutz für Mädchen und Frauen in Sachsen-Anhalt“ macht die Stadt Weißenfels im November auf geschlechtsspezifische Gewalt aufmerksam. Anlässlich des Internationalen Gedenktages „Nein zu Gewalt an Mädchen und Frauen“ weht in Weißenfels ab 24. November 2023 auch wieder für zwei Wochen die Fahne „frei leben!“. Damit setzt die Saalestadt ein sichtbares Zeichen für ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Dasein von Mädchen und Frauen. Zur Fahnenhissung sind interessierte Bürgerinnen und Bürger am 24. November 2023, um 14 Uhr auf den Marktplatz eingeladen.